Dr. Muly: „Ich wünsche mir sehr, als Chirurgin in Sansibar arbeiten und dadurch andere Frauen der Region inspirieren zu können“

8 März, 2023

Am 8. März eines jeden Jahres wird der Weltfrauentag begangen, ein Tag, der dem Kampf um Gleichberechtigung, Beteiligung und Empowerment der Frau auf allen Gesellschaftsebenen gewidmet ist. Durch unsere Zusammenarbeit mit der Stiftung Fundación NED (Neurochirurgie, Bildung und Entwicklung) in Sansibar konnten wir die Tätigkeit der Doktorin Mulhati Abdalla bzw. Muly, wie sie dort von allen genannt wird, kennenlernen. Sie macht als erste Frau am Institut NED ihren Facharzt in Neurochirurgie.

Das RIU-Projekt in Sansibar

In unserem heutigen Interview erfahren wir von ihr, wie die Arbeit für unser Ziel, die neurochirurgische Versorgung der einheimischen Bevölkerung zu verbessern und einen sicheren und bezahlbaren Zugang zur Chirurgie in der Region zu fördern, konkret aussieht.

Wer ist die Doktorin Mulhati Abdalla?

Mein Name ist Mulhati Abdalla, und ich wollte bereits nach Abschluss des Gymnasiums Ärztin werden, denn ich lebte bei meinem Onkel, einem Chirurgen. Er ist stets mein Vorbild und meine Inspirationsquelle gewesen. Ich habe sechs Jahre in der Ukraine Medizin studiert und danach ein praktisches Jahr am Nationalkrankenhaus Muhimbili in Tansania absolviert.

Wie hat Ihnen die Stiftung Fundación NED bei der Verwirklichung Ihres Traums, Ärztin zu werden, geholfen?

2018 wurde mir von der Regierung eine Stelle zugewiesen, bei der ich mit der Fundación NED zusammengearbeitet habe. So habe ich die Stiftung kennengelernt. Ich habe schon immer gewusst, dass ich mich der Chirurgie widmen wollte, und die Stiftung hat dafür gesorgt, dass ich mich in die Fachrichtung Neurochirurgie verliebt habe, da ich die Gelegenheit hatte, bei verschiedenen klinischen Fällen von Beeinträchtigungen des Gehirns und der Wirbelsäule mitzuwirken. Dank der Stiftung Fundación NED konnte ich meine Facharztausbildung am COSECSA (College of Surgeons of East, Central and Southern Africa) beginnen, und aufgrund der Akkreditierung an meiner Universität konnte ich verschiedene Praktika in Sansibar absolvieren und weiter in der Nähe meiner Gemeinde arbeiten. Dadurch hatte ich das große Glück, einiger der besten Neurochirurgen der Welt kennenzulernen und von ihrer Arbeit zu lernen. Darüber hinaus hat mir das Stipendium der Stiftung ermöglicht, an verschiedenen Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen und mich sogar in Spanien weiterzubilden, indem ich an Behandlungsmodellen mitgearbeitet habe, die wir in Sansibar nicht haben.

Was bedeutet es für Sie, in und für Sansibar zu arbeiten?

Das bedeutet mir absolut alles. Da ich aus Sansibar stamme, habe ich die Gelegenheit, dazu beizutragen, dass meinem Volk im Zusammenhang mit diesem Fachbereich mehr Leistungen zur Verfügung stehen, denn im Verhältnis zur Nachfrage sind diese sehr gering. Ich wünsche mir sehr, als Chirurgin in Sansibar arbeiten und andere Frauen der Region inspirieren zu können, die ebenfalls diesen Beruf ausüben möchten.

Welche Projekte hat die Stiftung Fundación NED in Sansibar ins Leben gerufen, die einen erheblichen Fortschritt bei der medizinischen Versorgung in der Region bedeutet haben?

Die Stiftung gründete 2014 das Institut NED Mnazi Mmoja, das erste Arztzentrum in der Geschichte Sansibars zur Behandlung von Patienten mit neurochirurgischen Erkrankungen und zur Ausbildung von Neurochirurgen. Dank RIU konnte ein Teil der kritischen Infrastruktur und der medizinischen Ausstattung dieses Zentrums erneuert und verbessert werden. Darüber hinaus unterstützt die Stiftung auch die sozialmedizinische Einrichtung House of Hope in Sansibar zur Unterbringung von an Hydrozephalus erkrankten Kindern und deren Angehörigen. Dort werden auch Workshops zur Sensibilisierung und Weiterbildung angeboten, und ein Programm zur Rehabilitation und Physiotherapie für Kinder läuft gerade an.

Was bedeutet die Arbeit der Stiftung Fundación NED mit der Unterstützung durch RIU für die örtliche Gemeinde?

Wir helfen, die medizinische Versorgung der Bevölkerung Sansibars zu verbessern. Vor unserer Arbeit dort konnten Patienten mit neurochirurgischen Pathologien nicht behandelt werden. Beispielsweise sind zahlreiche Kinder mit angeborenem Hydrozephalus gestorben, während die meisten mehr gelitten haben, als irgendeiner von uns tolerieren könnte. Wir bieten ihnen heute die Chance auf Behandlung. Und NED bildet in Zusammenarbeit mit RIU vor Ort medizinische Fachkräfte aus, damit wir wiederum ebenfalls weiteres Fachpersonal in der Zukunft ausbilden können. Dazu kommt, dass aufgrund unserer Zusammenarbeit mit dem örtlichen Verband von Patienten mit Hydrozephalus und Spina bifida (offener Rücken) von Sansibar ein wertvolles Netzwerk zur Unterstützung der Patienten und deren Familien in der Gemeinde entstanden ist.

Welche wichtigen Meilensteine hat die Stiftung Fundación NED erreicht?

Bis heute wurden mehr als 31.000 Patienten ambulant behandelt, es wurden mehr als 2800 kostenlose chirurgische Eingriffe im Institut durchgeführt und es wurden 15 Schulungskurse in Sansibar veranstaltet. Das sind relevante Zahlen, aber sowohl für die Stiftung als auch für RIU sind die langfristigen Auswirkungen sehr wichtig, um auch in der Zukunft medizinische Fachkräfte vor Ort ausbilden und die Rentabilität des Instituts sicherstellen zu können. Aus diesem Grund wurde ein Schulungsprogramm für Ärzte in der Facharztausbildung aufgelegt, und örtliche Ärzte bekommen Stipendien.

Welche Ziele verfolgt die Stiftung Fundación NED in der Zukunft?

Die Stiftung will nicht nur ihre Tätigkeit im Institut NED fortsetzen und das House of Hope als sozialmedizinische Einrichtung mit Modellcharakter konsolidieren, sondern ihr Schulungsprogramm ausweiten und ein extra dafür gedachtes Zentrum in Sansibar einrichten. Ziel ist der Bau eines Skills Lab neben dem vorhandenen Institut, zu dem idealerweise ein Labor sowie ein Bereich für die Telemedizin gehören, in dem sich Fachkräfte aus dem ganzen Land fortbilden können. Darüber hinaus führt die Stiftung über ihren Lehrstuhl VIU-NED für globale Neurowissenschaft und gesellschaftlichen Wandel ihre Forschungs- und Aufklärungsarbeit weiter. Ziel ist, die durch die Stiftung gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse mit einem größeren Publikum über erstklassige Artikel, Berichte und Analysen zu teilen und dieses über die Rolle der internationalen medizinischen Zusammenarbeit bei der Entwicklung von mit geringen Ressourcen ausgestatteten Gesundheitssystemen zu informieren.

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